Wort zum Buß- und Bettag 2020

Als ich das Wort zum Buß- und Bettag 2020 der evangelischen Landeskirche Sachsens gelesen hatte, fühlte ich mich an die Zeit erinnert, als ich vor über 20 Jahren aus der katholischen Kirche austrat. Ich konnte damals mit der Regierungshörigkeit und mit dem Schweigen zu den Problemen und Ängsten der Menschen in der katholischen Kirche nichts mehr anfangen. Durch meine Frau, die mir vor drei Jahren meine erste Bibel geschenkt hatte, las ich das erste mal in meinem Leben in der Bibel und verstand das erste mal, was Jesus mir sagen wollte. Im Juli 2020 trat ich dann in die evangelisch-lutherische Landeskirche ein.

Zur Zeit sind in unserer Gesellschaft massive Umwälzungen im Gange. Wir haben Kriege überall auf der Welt, Menschen ertrinken auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer, die Automatisierung ersetzt die Menschen in den Fabriken, die Arbeitslosen werden entrechtet, Menschen verlieren ihre Lebensgrundlagen und die Regierung macht den Menschen Angst vor Krankheiten. Die Probleme sind für einen einzelnen Menschen nicht mehr zu überblicken. Die Gesellschaft als Ganzes beginnt nun, Lösungen für diese Probleme zu entwickeln. Das Kollektiv der Gesellschaft erhöht die Kommunikationsdichte und knüpft neue Netzwerke. Die Menschen fühlen, dass sich etwas verändert.

Im Wort zum Buß- und Bettag 2020 werden die Menschen in der Kirche dazu aufgerufen, dass sie ihre Mitmenschen durch ihr Verhalten nicht beunruhigen, die Einschränkung der Grundrechte ertragen und sich demütig in die Gemeinschaft einordnen sollen. Das ist für mich, sehr grob zusammengefasst, die wichtigste Aussage des Wortes zum Buß- und Bettag 2020.

Ich denke, Schweigen, Anpassung und das Verharren in der Komfortzone sind nicht die Antwort auf die Probleme der Menschen. Gleichzeitig sind gut gemeinte Lösungsansätze meist nur unzureichend. Deshalb möchte ich als Antwort auf das Wort zum Buß- und Bettag 2020 meinen Weg darlegen, wie ich den Problemen unserer Zeit begegne:

Ich möchte die Menschen zu einer eigenen Glaubenspraxis ermutigen, damit sie Kraft bekommen, um als Christen an der Diskussion in der Gesellschaft teilzunehmen und um das Evangelium durch Wort und Tat zu verkünden, so wie es ihnen vom Heiligen Geist gegeben wird. Weil bei jedem Menschen die Glaubenspraxis anders aussehen kann, möchte ich hier meine Glaubenspraxis als Beispiel darlegen.

Mir ist Bewusst, dass niemand die Probleme unserer Zeit in ihrer Gesamtheit begreifen kann. Jeder Versuch, eine Lösung der Probleme durchzusetzen führt daher zu Gewalt. Deshalb lege ich die Lösung unserer Probleme in Gottes Hand und nehme die Ängste aller Menschen ernst. Das bedeutet für mich zum Beispiel, dass ich im Gottesdienst die gesetzlich vorgeschriebene Mund-Nase-Bedeckung bis zu einem gewissen Grad trage. Durch die Verwendung eines schwarzen Halstuches mit Fischsymbolen als Mund-Nase-Bedeckung zeige ich aber denen, die die Maßnahmen der Regierung kritisieren, dass sie nicht allein sind und dass ich ihre Angst vor einem totalitären Staat ernst nehme. Ich nehme gleichzeitig die Angst der Menschen ernst, die sich vor ansteckenden Krankheiten fürchten.

Ich lese täglich in der Bibel. Die Losungen der Herrnhuter Brüdergemeine sind mein Bibelleseplan. Das gibt mir die Kraft und die Inspiration, die ich brauche.

Im Gebet danke ich dem Herrn für die Schöpfung. Ich danke für die Erde, für mein Essen, für meine Mitmenschen und für alle anderen Lebewesen. Ich danke ihm auch für die Bakterien, die im Sauerteig für uns arbeiten, sowie auch für alle Viren und Mikroben, die wir nicht verstehen.

Ich weiß dass Gott das Universum geschaffen hat und dass es seine Gnade ist, dass wir alle hier auf der Erde alle Voraussetzungen für ein glückliches Leben haben. Ein glückliches Leben ist nicht der Verdienst von Menschen, die sich anmaßen, Lebensgrundlagen und Glück nach ihrem Ermessen zuzuteilen.

Ich vertraue darauf, dass der Heilige Geist mich darin leitet, den Menschen zuzuhören und dass er mir die Kreativität und die Kraft schenkt, mich an der gemeinsamen Lösung von Problemen in meiner Umgebung konstruktiv zu beteiligen.

Ich verweigere niemandem das wertschätzende und konstruktive Gespräch, unabhängig von der politischen Meinung, der Religion, der Ethnie, der sexuellen Orientierung, der Herkunft, des Vermögensstandes, des Berufes, des Gesundheitszustandes, der Arbeitslosigkeit oder anderen Eigenschaften.

Ich zwinge niemanden das zu tun, was ich für richtig halte. Ich setze auch nicht den Willen der Regierung gegen meine Mitmenschen durch.

Ich spreche mit anderen Menschen über das Evangelium und freue mich über interessante
Unterhaltungen und über kritische Anmerkungen, die sich daraus ergeben.

Ich widme genügend Zeit meinen Hobbies, die nichts mit Religion zu tun haben und die mir Freude machen. Dabei achte ich darauf, dass es Hobbies sind, bei denen ich keine Mund-Nase-Bedeckung tragen muss.

Ich hoffe dass dieser Brief alle Leser und Leserinnen zu einer eigenen christlichen Glaubenspraxis zusammen mit anderen ermutigt. Daraus wird sich mit Sicherheit viel Kreativität und Angstfreiheit für gemeinsame und friedvolle Lösungen unserer Aufgaben ergeben.